
Tagebuch eines Bekloppten
(the St. Burnout-Files)
und überhaupt: jetzt. er. hier.
sitzt er erst mal da vor’m eingang – und beneidet die Vögel, die über den bergen kreisen und von den ganzen schlammasseln (oder schlamasseln?) nix wissen. denn als vogel hast du diese berühmte perspektive: immer fein majestätisch deine runden drehen, als krähe oder bussard, alles so schön im blick, dass du jeden auslachst, der wegen so ein bischen depression gleich die fassung verliert.
aber, memo im kopf, interessant: vögel trösten einen nur bei tag. und nur wenn sie fliegen. und nur wenn die sonne scheint. weil, wenn die dunkelheit anbricht, dann schreien sie auf ihren schlafbäumen, dass man glauben möchte, das alles ginge doch nicht so spurlos an ihnen vorüber – tagsüber immer so majestätisch tun, aber am abend fürchten sie sich dann vor dem schlafengehen. und auch so ein vogel zu fuß: gar nicht majestätisch
nun also auch er: tagsüber alpha bis gamma (vermutlich komma), möglicherweise majestätisch, wenigstens eloquent, zumindest witzig, vielleicht ganz nett.
und dann, zu alleine, zu klein, zu laut, zuhause, fürchtet er sich vor dem abend, vor dem schlafengehen, fürchtet er sich vor dem träumen und dem aufstehen. und dem atmen.
überhaupt, tendenz eskalierend (der verfasser widmet dieses Gerundium der Simone, alle weiteren gehen auf seinen nacken):
zu wenig killerinstinkt, zu viele zweifel, zu wenig aus dem weg beißen, zu viel denken. zu qualifiziert. zu nett. zu raus. zu hause.
vielleicht kreativ, meinetwegen, aber wo sind die leichen über die er ging, wo der heldenmut angesichts der excel-tabelle, wo der gesunde aggress gegenüber den kundenkontaktern, der corporate governance und der altersstatistik. wo der wille der unbedingte? auf ein mal. auf ein mal nicht mehr nur rezidivierend sondern voll die störung, die depressive und zu tief zum alleine rausklettern.
und flashback: jobsuche.
zu qualifiziert? jetzt hörn’s aber auf – aber die sache mit den fachkräften, den fehlenden? und er jetzt: zu fachkraft?
„ja verstehn sie, herr dingens, in dem job würden sie ja massiv unterfordert. und dann wär’n sie gelangweilt, und dann wär’n sie dann ganz schnell wieder weg, und das wollen wir doch alle nicht.“ nicht, dass jemand IHN gefragt hätte, ob er das wolle.
„ja aber: ist dann der job, der ausgeschriebene, eh‘ zu doof, oder ich zu doof, oder ist der für die zu doofen, der job, also die eher prekär qualifizierten?“
„eben! genau so! jetzt versteh’n wir uns. und deshalb noch viel erfolg bei ihrem weiteren lebensweg. ihrem erfolgreichen. bei DER qualifikation.“
und da hat er dann offensichtlich blöd geschaut bei der argumentation. weil da ist die natur ja dann schon oft sehr ungerecht, und es kann ja vorkommen, dass einer überhaupt nicht blöde ist aber die physiognomie ist vieleicht so, dass einer gleich blöd aussieht, wenn er sich nur kurz wundert. oder länger.

und überhaupt auch noch:
das eigene problem mit dem selbstverständnis und der sinnhaftigkeit und der gesellschaftlichen relevanz, und wo man sonst so sagt, – top marketiere und chief-consultants – nicht g’rad so das ohr an den (geistig) armen, und gemeinwohl auch eher sekundär, außer es hat eine hübsche benutzeroberfläche.
obwohl: vielleicht das große marketeer, der cco, der edle consultant, dass der sagt: ich will jetzt auch so einen gesellschaftliches schronnek erwerben, vom halbseidenen in’s rotary-millieu. das gesamte lebenswerk auf eine weniger anrüchige basis stellen, Immobilien, aktien, fußballclub, privatbank, gebetskreis, diese dinge eben. nicht mehr leute über’n tisch ziehen und in ruin und selbstentleibung helfen und wenn’s schon unbedingt sein muss, spendiert man dann den hinterbliebenen wenigstens ein schönes begräbnis.
aber er halt auch da: ganz kleine nummer, wie käme ausgerechnet er denn dazu, dass er sich in dieses gesellschaftliche einmischt? strecken muss er sich, viel lesen und lernen über neueste trends, insidertips, kontenzugänge mit und ohne losungswort. new economy, old economy, wo ist da jetzt so genau der unterschied, ewig-jung-tips, selbstoptimierung und dass man schön mitarbeiter (prekär beschäftigte) sagt statt putze oder sklave und dass da dann der profit persönlich danke sagt.
selbst redend dass er auch das eifrig angehäufte ohne zu murren zur wichtigkeit nach oben reicht, damit es dann in dessen glanz strahlt. natürlicher weise dessen ist. des selbst-erarbeiters. wie dessen erbe freilich auch, selbst erarbeitet, von den freiwilligen arbeitern, die das seinem opa zu-erarbeiten der erschießung vorgezogen haben. oder dass der tag nicht damit endet, dass die vorgezogen wird, womöglich.
aber da denkt man schnell mal nicht dran, wenn doch die neueste KI drauf ist auf dem vom konzern selbst erarbeiteten neuen die-weis, frei zusammen gelötet. mit dem stiefel im genick. und: wenn er das nicht so kann mit dem natürliche dinge akzeptieren, da merkt man schnell, dass wer kein siegertier ist, so zäh wie er manchmal auf unwichtigkeiten herumreitet. auf auskömmlichem einkommen oder körperlicher unversehrtheit.
auch so ein problem mit dem selbstverständnis, eben so halt auch das empathische sich-gemein machen mit anderen gesellschaftlichen randgruppen, obdachlosen, minderleistern oder frauen: passt halt nicht zum alphatier. das merken die ganz schnell, die alphas und die minderleister und die frauen – das disqualifiziert.

weil frauen überhaupt:
jahrzehnte, jahrhunderte zu wenig beachtet, unterschätzt, zumal auch bei der arbeit. nur schön. eine für das vorstandsfoto, irgend was mit humankapital. aber schon attraktiv, so ein kapital.
aber heute: lange vorbei – heute selbstverständlich nicht nur das äußerliche, das attraktive, das blonde, das blaue. sondern: wesen. auch ganz wichtig. unkompliziert, fröhlich. das wesen mindestens so wichtig, wie das äußere. so oberfächlich sind männer heutzutage auch nicht mehr, da zählt unkompliziert genau so wie gut aussehend. so muss sie auch sein, ganz still und lieb und friedlich und im besten fall sehr kunstvoll ausgestopft.
aber: auch wenn’s am anfang also ideal ausschaut mit der frau, am ende: natürlich tränen, frag’nicht, weil es vom menschlichen her vermutlich genau so sein muss: am anfang ideal, attraktiv, blond, blau, am ende: tränen. man(n) kann’s ja trotzdem nicht lassen, vermutlich von wegen dem wesen.
aber jetzt, daher, von all dem nachgedenke und dem joblos von wegen zu qualifiziert, und dem frauenlos, weil: zu er halt – und kurz vor den tränen – er jetzt hier – und ihm gegenüber die frau, also, nicht die seine, nicht mal annähernd, nicht mal in’s beuteschema aufgenommen, kein gedanke mit beziehung oder so – sondern: therapeutin. also so was von die wissenschaftlerin vor’m versuchstier. und er: die maus. weiß nicht mal die aufgabe oder ob man ihm eine gestellt hat. nicht mal die möglichkeit es zu versauen, weil er nicht weiß, was „es“ ist – vielleicht hat er ja nur die fragestellung nicht verstanden, weil zu doof, oder halt nicht zugehört, mal wieder. weil sein kopf mal wieder: karneval!
„herr dings, haben sie das verstanden mit den regeln hier im haus, den therapie- und ausgangszeiten, den gemeinschaftsdiensten, der ergo- und der arbeitstherapie, der bezugsgruppe und bezugsgruppentherapie und der einzeltherapie, den therapeutischen zielen im allgemeinen und den ihren im besonderen, der medizin und den kontrollen, dem fitnessraum und der sauna und dem garten und dem gemeinschaftsdienst und dem kreativen und den heimfahrten – und: hören sie mir eigentlich noch zu? haben sie dazu noch fragen?“
und die fragen, die er sich da gestellt hat, aber nur so bei sich, weil doof, weil vielleicht überfordert oder doch doof (siehe oben), eher so: wie war das mit den essenszeiten? und warum ist das alles so früh hier? und kann man den hahn nebenan austauschen, wenn er’s nicht schafft zum aufstehen zu krähen, oder zumindest bevor ich vom frühstück zurück bin?

und los geht’s
also Atem-Training:
schon gleich mal kollabieren, so untrainiert, weil: so lange nichr atmen, weil so lange erklärung und: schwarz vor augen – weil er hat halt wieder mal solch eine angst gehabt was falsch zu machen – mit dem atmen diesmal, als laie quasi, weil ja noch gar nicht trainiert.
nach reanimation neu gelernt: atmen also grundsätzlich gut, wichtig auch, soll man auch untrainiert, wenigstens am anfang, zum übergang. weil sonst: schwarz vor augen, rückenliegend angestarrt von menschen, von oben. oder tot gar, wenn man’s übertreibt mit dem „richtig oder gar nicht“.
und dann auch so körperlich, mobilisierungsmäßig:
morgens so: ja scheißdochdiewandan – was ein wetter – also quasi: raus muss man da! und sei’s mit diesen stöckchen, den nordischen. er ja immer gehetzt gegen’s „betreute gehen“ und „großväterchen geht am stock“ und jetzt er, hier. selber! aber kann ja keiner gucken. weil weit weg. und fast ein bisserl wie sport, wenn schnell genug – kommt halt immer drauf an, wer’s macht.
dann drauß’d:
wie schön war DAS denn?
eine luft: sowas von klar.
und ein kopf: sowas von klar.
aber halt auch – eine luft sowas von kalt (-7° grad halt schon, frag‘ nicht).
und am kopf: sowas von gefroren der bart, und die mütz‘ hätt‘ noch eine mütz‘ gebraucht, quasi nach 5 minuten schon.
aber auch: der reif weiß gefroren über den hügeln,
und der daempf über den weißen wiesen in der sonne.
und der atem weiß vor „seinem“ bussard, dem majestätischen, auf dem fußballtor am sportplatz.
und wie er in’s nachbardorf hinein kommt durch die fachwerkgassen, die engen:
der daempf über der wiese am dorfplatz, dass denken hast können: da schmurgelt sie noch die letzte hex‘ vom vorabend, wo die dorfjugend ihr’n spass k’abbt hat.
magisch!
dann am wochenende:
einmarsch beim franzmann, straßburgexkurs sozusagen (oder mit „o“, seinetwegen):
einmarsch quasi unbemerkt vom franzos‘ – von daher dann auch doof weil ohne gegenwehr – und ohne auch nicht so spannend. einmarsch abgebrochen weil erauch nicht gewusst hat, wo die grenze überhaupt war. daher nur in diese schnuckelige, kleine kirche einmarschiert. muss dann auch genügen, gelebter pazifismus quasi. aber auch sowas von einer kirche! ein münster gar. andere zeit, so viel platz. da war er noch optimistisch wie viele da kommen wollen, der kathole, weil damals kommende nur von hier, und blass. jetzt aber: alle importiert da herinnen. und glauben und farben: alle!
überhaupt frankreich.
alles anders, vögel auch. nix majestätisch und bussard sondern eher fett und taube. aber dafür der rotwein schon zum frühstück. also der franzos, nicht er. aus gründen. aber gereizt hätt’s ihn jetzt schon. nur von wegen dem savoir vivre, nicht dass du denkst.
und außerdem gruppe:
bezugsgruppe: therapie quasi, nur, dass der therapeut oder dings: *in plötzlich kaum mehr was sagt. sondern alle. und manchmal auch ein negativer bezug und manchmal durcheinander. und laut. und dann doch wieder therapeutin. aber heute negativer bezug, die gruppe. aufgeweckte diskussion über die verteilung von sitzgelegenheiten wer weich und sessel, wer hart und stuhl. nebensächlich, möcht‘ man meinen, wenn man gar nicht betroffen ist schon gar, aber weit gefehlt, weil: weißnich.
daher plötzlich angeregter diskurs und schlüssige argumentationsketten: „was willst du, du missgeburt, du wixxer? glaubst, du kannst dir alles ‚rausnehm? komm‘ mit ‚raus, dann klären wir, missgeburt“. wobei: konnt‘ er gar nicht sehen warum so miss die geburt, weil eher groß, eher kräftig, eher leg’dichnich’mitdeman. jetzt dann auch er, mäßigend und viel gerühmtes deeskaladings, aber: auch ihm gegenüber fielen vorher unbekannte kosenamen, injurierende und „halt‘ dich da raus, hast du nicht gehört, wie der mit mir redet?“ doch, schon aber aufgefallen ist ihm da halt nix, also eskalationsprovozierend. wobei: der angespiehene (40, 1,90m,, durchtrainiert, typ wie ein bär, östlich von slavisch) sich von dem unerfindlich in so starke wallung geratenen (25, 1.75m, mager, lauch, unbekannte provinienz) nicht gar zu sehr provozieren hat lassen. angenehmerweise, bewundernswert, unblutig. aber, der vorwurfserheber plözlich gefühlte 120 dezibel, startender düsenflieger nix dagegen. und schlimme worte, aber trotzdem nicht geklappt mit dem blut fließen. szene wie im actionfilm so: bitte-erschieß-mich-mäßig, quasi suicide-by-cop. aber hier dann halt suizid-mittels-mitinsassen.
denkt er sich: spannend, aber immer können’s das programm auch nicht bringen, nutzt sich ab, dramaturgisch. und therapeuten auch (3!) beim deeskalieren, geht nicht auf dauer, personalschlüsselmäßig, quasi. schade fast.

und dann:
heimfahrt ohne auto, aber dafür ohne zug.
lass das auto stehen haben sie gesagt,
„falls du ankommst“ hat ihm keiner gesagt.
mit blutdruck 216 / 106 hat auch keiner gesagt.
und jetzt: „der ice xxx um 13:34 heute um 13:42, der RE 7 von karlsruhe nach freiburg um 13:50 entfällt, ääh…moooment. wie? einfach „entfällt“? kriegt er puls, wegen „fährt nicht“ . Begründung: dings. machste nix – aber erklärung wär schon schön, so nachdenkmäßig und als kleine entschädigung für entstandene unannehmlichkeiten – ein pfund blut und eingeweide für jede stunde, minimum: so nur technischer defekt, personen auf der… ähm, korrigiere: notarzteinsatz auf der strecke, zug verlegt, streik wg. pünktlichkeitsterror und schlechter presse – zack: zugpersonal burnout, – zutreffendes bitte anstreichen (gerne rot).
also 55 minuten bahnsteig und zu viel information: vorsicht schnell durchfahrender zug (ham‘ se also doch noch weche?!) vorsicht zug wird geteilt (längs – kaputt), anzeige: „zug fährt ab“ (echt jetzt? wem soll die info da noch nützen? zug weg! nanananana!), der ice „björn höcke“ fährt heute statt auf gleis 1 auf gleis 88, der IC 0815 daher statt auf gleis 12 auf gleis 1 – mobilisierungsprogramm für wohstandsbürger – was ein eifrig gerenne und gestolpere und hass mit händen zu greifen.
dafür auch hier tauben, auch hier fett, chips mit schräg gelegtem kopf und gelanweiltem blick missbilligend musternd, 3 m weiter nach dem croisant picken – aha, doch franzose – wo ist der bussard? nix mit majestätisch, savoir vivre hier wohl fußläufig, aber mit buttergebäck.
und überhaupt: die punks im zug. auch nicht mehr das – ipad und zukunftswunsch koch, „aber nich‘ so normalo, nee: personal cooking, vegan, bei irgend so nem reichen dude, für fett asche, weltweit“ – whut? früher war mehr konsequenz im klassenkampf, irgendwie… und kein kollege scheißt ihn zusammen, von wegen klasse und verrat, und lieber reiche dudes cooken… nicht, dass er bei fremden gesprächen zuhören würde, aber echt, ey: erst kommt der gucci, dann kommt die moral? und die nieten und die ketten liegen poliert auf den gebügelten, handzerschlissenen flickenhosen – noch ma‘ danke dafür, mama…
plötzlich halt? auf offener strecke mit verspätung eh‘ schon egal, aber w…? ach vergiss es. zug stirbt, zeitplan tot, steigen hier jetzt die dementoren ein? „lauf, harry!“ – „wir erreichen offenburg mit 20 min verspätung wegen der „vorfahrt eines anderen zuges“ – 3 züge überholen, dann lange nichts mehr – draußen schönste aussicht, leider schwarz. gefühlte stunden später: der zug erwacht leise seufzend wieder zum leben. doch nicht gestorben. aber endgültig durch mit dem zeitplan, dem persönlichen – und wohl auch dem des busses, denn der hat (fahrplankonform) bereits das weite gesucht – egal, nichts ist spannender als eine stunde herumlungern auf einem (zugenagelten) provinzbahnhof… obwohl… ALLES ist spannender fällt ihm da auf und er überlegt, die ortsansässigen provinzfaschisten ein wenig zu provozieren, damit er wenigstens noch eine elfenbeinturm-zum-einsturz-bringende auf das „arrogante“ (einzeltherapeutin) maul bekommt.

to be continued…
Ich danke Ihnen,
dass Sie mich in meiner Zelle besucht haben!